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Wie Karl Landsteiner die Blutgruppen entdeckte
Schon über 200 Jahre bevor der Wiener Arzt Karl Landsteiner die Blutgruppen entdeckte, versuchten sich Mediziner an der Übertragung von Blut. Das Gelingen einer Transfusion war damals jedoch reine Glückssache. Als Erster erfolgreich war dabei der Brite Richard Lower. Er übertrug im Jahr 1666 Blut an zwei Hunden. Nur ein Jahr später gelang zwei französischen Ärzten erstmals eine Bluttransfusion am Menschen. Der Spender war ein Schaf. Von nun an wurde Blut auch von Mensch zu Mensch übertragen, doch häufig endete die Behandlung für den Empfänger ohne ersichtlichen Grund tödlich. Denn noch wusste niemand, dass sich nicht jedes Blut eines Menschen mit dem eines anderen verträgt.
Das Rätsel um die unerklärlichen Todesfälle löste schließlich Karl Landsteiner. Zusammen mit seinen Mitarbeitern erkannte er im gerade angebrochenen 20. Jahrhundert die Existenz der vier verschiedenen Blutgruppen A, B, 0 und AB und legte damit den Grundstein für die moderne Transfusionsmedizin.
Verklumpte Blutmischungen
Landsteiner war am serologisch-pathologischen Institut der Universiät Wien tätig, als er im Jahr 1900 bemerkte, dass das Blut zweier Menschen bei Kontakt manchmal verklumpte und manchmal nicht. Er begann, dieses Phänomen systematisch zu untersuchen: Dafür nahm er Blutproben verschiedener Personen und trennte Blutkörperchen und Serum, also den flüssigen Teil des Blutes, durch zentrifugieren. Dann vermischte er die Blutkörperchen einer Probe mit dem Serum einer anderen. Erneut stellte er fest: Mit dem Serum mancher Menschen verklumpten die Blutkörperchen, mit dem von anderen nicht. Das Blutserum besaß also nicht bei allen Menschen die gleichen Eigenschaften.
Nachdem Landsteiner alle möglichen Kombinationen mit dem Blut von 22 Probanden ausprobiert hatte, kam er zu dem Schluss, dass es drei verschiedene Merkmale geben musste. Zuvor hatte er noch überprüft, ob es sich bei seinen Beobachtungen eventuell um normale Blutgerinnung handelte. Das konnte er jedoch ausschließen, indem er den Versuch mit dem Blut von Hämophilie-Patienten wiederholte, bei denen das Blut nicht oder nur sehr langsam gerinnt. Er unterschied im Jahr 1901 schließlich die Blutgruppen A, B und C. Letztere wurde später in 0 umbenannt. 1902 entdeckten Landsteiners Mitarbeiter dann die vierte Gruppe AB.
Unverträglichkeit durch Antikörper
Heute wissen wir, schuld an der Unverträglichkeit von Blutgruppen sind unterschiedliche Antigene und Antikörper: Rote Blutkörperchen enthalten auf ihrer Oberfläche die Antigene A und/ oder B oder sie enthalten gar keine Antigene. Diese Merkmale bestimmen die Blutgruppe. Im Blutserum wiederum schwimmen Abwehrstoffe, die gegen die Antigene fremder Blutgruppen gerichtet sind. Diese Antikörper bildet jeder Mensch bereits kurz nach seiner Geburt.
Das heißt:
- Blut der Blutgruppe A enthält Antikörper gegen die Blutgruppe B und umgekehrt.
- Menschen mit der Blutgruppe AB bilden weder Antikörper für die Blutgruppe A, noch für B – sie können Blut aller anderen Blutgruppen empfangen.
- Blut der Gruppe 0 wiederum enthält sowohl Antikörper gegen den Faktor A als auch gegen den Faktor B. Menschen mit dieser Blutgruppe können also nur Blut der eigenen Gruppe empfangen, ihr Blut wird jedoch von allen anderen Gruppen akzeptiert – denn es enthält keine Antigene.
In Deutschland haben die meisten Menschen die Blutgruppe A (43 %), dicht gefolgt von der Gruppe 0 (41 %). Die Blutgruppen B (11 %) und AB (5 %) sind dagegen selten.
Lebensrettende Erkenntis
Schon Landsteiner erkannte, dass Bluttransfusionen zwischen Personen der gleichen Blutgruppe nicht zum gefährlichen Verklumpen des Blutes führten. Im Jahr 1907 wurde schließlich in New York die erste auf seinen Arbeiten basierende Bluttransfusion erfolgreich durchgeführt. Besonders deutlich wurde die Bedeutung von Landsteiners Forschung jedoch gegen Ende des Ersten Weltkriegs: Man begann, serologische Tests an verwundeten Soldaten durchzuführen und konnte sie so mit geeignetem Spenderblut versorgen. 1930 erhielt Landsteiner für seine Entdeckung den Nobelpreis für Medizin. Einige Jahre später identifizierte der Serologe gemeinsam mit einem Kollegen einen weiteren Faktor, der die Verträglichkeit von Bluttransfusionen beeinflusst: den sogenannten Rhesusfaktor. Damit konnten die Mediziner endlich erklären, warum trotz genauester Beachtung der Blutgruppen in der Vergangenheit immer noch ab und zu teils tödliche Komplikationen bei Bluttransfusionen aufgetreten waren.
Das AB0- und das Rhesussystem gehören heute zusammen mit dem sogenannten Kellsystem zu den wichtigsten Blutgruppensystemen. Sie ermöglichen eine klare Charakterisierung von Blutkonserven – und damit gefahrlose Transfusionen, die Kranken und Unfallopfern das Leben retten können.
DAL, 12.06.2015