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Wie Rolltreppen und Bahnen zu Stromlieferanten werden
Die U-Bahnen oder Straßenbahnen des öffentlichen Nahverkehrs gelten als klimafreundliche Fortbewegungsmittel. Denn sie stoßen keine klima- und umweltschädlichen Abgase aus und können viele Menschen auf einmal transportieren. Doch auch diese Verkehrsmittel verbrauchen Strom. Allein die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zum Beispiel haben einen Gesamtbedarf von rund 450 Gigawattstunden pro Jahr, so viel wie 180.000 Berliner im selben Zeitraum.
Bremsen als Stromlieferanten
Doch es gibt bereits innovative Ansätze, um die öffentlichen Verkehrsmittel energieeffizienter zu machen. Aktuelle Projekte in Wien, München und Köln zeigen, wie sich auch im öffentlichen Nahverkehr Strom einsparen lässt – durch eine Rückgewinnung und Mehrfachnutzung der Energie. Neue Technologien helfen dabei.
Eine Lösung, den Energiehunger im Verkehrssektor im Zaum zu halten, ist das "Strom-Recycling" mithilfe der Bremsenergie-Rückgewinnung. Denn wenn ein Fahrzeug bremst, wird seine kinetische Energie absorbiert – beispielsweise durch die Reibung der Bremsen – und das Gefährt wird dadurch langsamer. Die nun überschüssige Energie verpufft bisher meist ungenutzt in Form von Wärme. Doch bei der Rückgewinnung der Bremsenergie wird diese durch spezielle Technik wieder in elektrische Energie zurückverwandelt.
U-Bahn-Stationen als Kraftwerke
Diese bei vielen Autos schon eingebaute Rückgewinnung nutzen inzwischen auch erste öffentliche Verkehrsbetriebe für ihre Bahnen, darunter auch die Nahverkehrsbetriebe der Stadt Wien. Im Projekt "Brake Energy" funktionieren die U-Bahn-Stationen wie kleine Kraftwerke. In den "Brake-Energy"-Anlagen wird Bremsenergie in das Wechselstromnetz der Wiener Linien eingespeist. Dieser Wechselstrom wird wiederum genutzt, um Rolltreppen und Aufzüge anzutreiben oder Laternen zum Leuchten zu bringen.
Das System ähnelt dem von Elektroautos. Auch dort wird Energie, die beim Bremsen entsteht, wieder in die Akkus eingespeist. Gebremst wird auf den Wiener U-Bahnstrecken tausende Male pro Tag. Laut Wiener Verkehrsbetriebe werden so im Jahr rund drei Gigawattstunden Strom "erbremst". Das entspricht dem Stromverbrauch von durchschnittlich 720 Haushalten und spart rund 400 Tonnen CO2.
Wie Rolltreppen Energie sparen
Neue Technologien, die im öffentlichen Nahverkehr Energie sparen und Wartungskosten senken, werden auch andernorts bereits getestet. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG beispielsweise hat dafür die rund 770 Rolltreppen in den U-Bahn- und Straßenbahnstationen der Stadt in den Blick genommen - es ist das größte Fahrtreppennetz Deutschlands.
Die Laufrichtung und Geschwindigkeit der vielen Rolltreppen wird durch sogenannte Frequenzumrichter geregelt. Diese speziellen Konverter der Firma Yaskawa können die beim Bremsen und Abwärtsfahren der Rolltreppen anfallende Energie aufnehmen und so umwandeln, dass der Strom zurück ins Netz gespeist werden kann. Dort steht die Bremsenergie dann etwa für die Beleuchtung der U-Bahn-Stationen zur Verfügung. Zusätzlich spart das System Energie bei der Kühlung und Lüftung der Komponenten in den Schaltschränken. Nach einem ersten erfolgreichen Testlauf an der U-Bahn-Station Fraunhoferstraße vor einigen Jahren werden nun alle Rolltreppen der Münchener U-Bahn nach und nach mit den energiesparenden Matrix-Konvertern ausgestattet.
Ein zweites Leben für E-Auto-Batterien
Eine weitere innovative Lösung haben die Kölner Verkehrsbetriebe entwickelt: Sie nutzen die Bremsenergie ihrer Stadtbahnen, um damit Elektro-Busse und E-Autos aufzuladen. "Multimodale Lademodul-Integration", kurz "MuLi", heißt das Projekt, das gemeinsam mit dem Energieversorger Rheinenergie und dem Autobauer Ford umgesetzt wird.
Das Besondere: Hunderte ausrangierte Batteriezellen speichern dabei den von den Stadtbahnen eingesparten Strom. Die Module sind in einem grauen Block an der Haltestelle Bocklemünd zusammengeschaltet. Hier wird der beim Bremsen erzeugte Strom in einer Ladestation in sechs Batterie-Stacks gespeichert und für die Ladung von E-Bussen und Elektrofahrzeugen abgegeben. Durch die Zwischenspeicherung in Batterien werden auch Spannungsschwankungen vermieden. Diese würden entstehen, wenn Straßenfahrzeuge im Schnellladeverfahren geladen werden und zugleich eine Stadtbahn anfährt.
In der Pilotanlage werden dafür jedoch keine neuen, sondern schon gebrauchte Hochvolt-Batterien genutzt. Das Projekt ist deshalb auch Vorbild für die Wiederverwendung unzähliger E-Auto-Batterien. Sie werden zu Speichern aus jeweils sechs Einheiten mit 48 Batteriemodulen kombiniert. "Ressourcenschonung und Second Life sind heute in aller Munde. Mit diesem Modellprojekt konnten wir die Zweitverwertung von Hochvoltbatterien untersuchen", sagte Gunnar Herrmann von den Ford-Werken.
Bis 2030 will Köln außerdem seine Busflotte komplett auf alternative Antriebe umstellen. Damit ist die Stadt nicht allein: Immer mehr Kommunen rüsten ihre Busflotten um, damit die Fahrzeuge weniger Treibhausgase und Stickoxide ausstoßen.