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Zeitgefühl: Warum die Zeit für uns nicht immer gleichschnell abläuft

Manchmal vergeht die Zeit wie im Flug. Dann wieder dehnt sie sich zäh wie Kaugummi. Und in einer Extremsituation wie bei einem Autounfall kann sogar unser ganzes Leben in Sekundenbruchteilen an uns vorüberziehen. Aber warum? Was macht unser Zeitempfinden so veränderlich und subjektiv? Schließlich ist die Zeit ja eigentlich etwas ganz Regelmäßiges – die Uhr tickt unverändert schnell, egal was wir empfinden.
NPO, 25.05.2020

Es gibt im menschlichen Gehirn kein Areal , dass die Zeit objektiv messen kann. Unser Empfinden ist somit ganz individuell.

iStock.com, coffeekai

Ob die Zeit für uns langsam oder schnell vergeht, hängt einerseits davon ab, ob wir uns langweilen oder viel zu tun haben: Sind wir abgelenkt oder haben viel zu tun, scheinen selbst längere Zeitspannen uns ziemlich kurz – die Zeit vergeht wie im Flug. Ähnliches können wir im intensiven Gespräch mit Freuden, bei einem Computerspiel oder beim Ausüben eines geliebten Hobbys beobachten.

Umgekehrt dehnt sich beispielsweise die Wartezeit in einer Schlange wie Kaugummi – wir werden uns der Zeit einfach stärker bewusst, weil wir keine Ablenkung haben. Und je mehr wir uns auf die Zeit selbst konzentrieren, desto langsamer scheint sie zu vergehen.

Fieber und Angst lassen die Zeit langsamer vergehen

Aber dieser psychologische Effekt ist nicht alles: Auch unser innerer Zustand – die Physiologie - spielt eine wichtige Rolle. Wenn wir beispielsweise Fieber haben, ist unser Stoffwechsel angeregt, die höhere Körpertemperatur lässt viele Prozesse im Körper schneller ablaufen. Auch unsere innere Uhr tickt dann schneller. Dadurch scheint die objektive Zeit langsamer zu vergehen. Eine Minute kann dann unserem Gefühl nach zwei Minuten dauern. Dieser Effekt ist umso stärker, je höher unser Fieber ist.

Noch extremer ist dieser Effekt, wenn wir unter extremer Angst leiden – beispielsweise bei einem drohenden Autounfall. In wenigen Sekunden kann dann sprichwörtlich unser ganzes Leben vor unseren Augen vorbeiziehen. Wir erleben die kurze Zeit vor dem Zusammenprall dann wie in Zeitlupe. Auch dies hängt mit dem in dieser Situation stark angeregten Stoffwechsel zusammen: Vom Adrenalin angeregt, arbeitet unser Körper arbeitet auf Hochtouren, um uns auf die Gefahrensituation vorzubereiten. Und auch das lässt unsere innere Uhr schneller ticken.

Bei extremer Angst kann die Zeit wie in Zeitlupe ablaufen.

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Auch Depression und Schizophrenie verändern das Zeitgefühl

Interessanterweise können auch psychische Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie unser Zeitgefühl erheblich durcheinander bringen. Sie empfinden depressive Menschen das Vergehen der Zeit oft als unerträglich langsam. Für Menschen in einer manischen Phase dagegen vergeht die Zeit wie im Flug, sie scheinen wie im Zeitraffer zu leben.

Und bei einer Schizophrenie schließlich kann unser Gefühl für die Struktur der Zeit völlig verloren gehen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen oder wirbeln durcheinander und lassen sich kaum mehr unterscheiden. Warum das so ist, können bisher selbst die Wissenschaftler nicht genau sagen. Auch wenn viele Aspekte unserer inneren Uhr und ihrer Reaktion auf äußerer Taktgeber recht gut untersucht sind, bleibt das subjektive Zeitgefühl bislang rätselhaft.

Was steckt hinter unserer inneren Uhr?

Dass wir überhaupt einen Sinn für Zeit besitzen, verdanken wir unserer inneren Uhr. Sie wirkt als eine Art Taktgeber und gibt beispielsweise unseren Tag-Nacht-Rhythmus vor, lässt uns zur gewohnten Essenszeit hungrig werden und steuert die im Tagesverlauf schwankenden  Stoffwechselprozesse. Hinter diesem inneren Takt steckt ein komplexes Netzwerk von Uhrengenen, die in nahezu allen Organen unseres Körpers sitzen und steuernde Botenstoffe freisetzen.

Die Oberhoheit über dieses Taktgeber hat jedoch eine zentrale "Uhr" in unserem Gehirn. Diese besteht aus zwei winzigen Zellhaufen, die hinter der Nasenwurzel, unter der Kreuzung der Sehnerven in unserem Gehirn liegen. Dieser sogenannte suprachiasmatische Nukleus (SCN) enthält ebenfalls Uhrengene, die in unserem Körper den Takt angeben. Dabei reagieren sie aber auch auf Signale, die von außen und innen auf sie einwirken.

Unser Zeitempfinden ist etwas zutiefst subjektives und veränderliches – aber warum?

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Zeitgeber synchronisieren die innere Uhr

Zu den wichtigsten äußeren Faktoren gehört das Licht: Der Lichteinfall von außen trägt dazu bei, unsere innere Uhr mit der Tageszeit zu synchronisieren. Wechselt dieser äußere Tag-Nacht-Rhythmus plötzlich, beispielsweise durch den Flug in einer andere Zeitzone oder durch Schichtarbeit, dann kann es einige Tage dauern, bis sich unsere innere Uhr mit diesem äußeren Zeitgeber synchronisiert hat. Die Folge sind Jetlag und Schlafstörungen.

Aber es gibt auch innere Zeitgeber – und sie erklären zumindest zum Teil die merkwürdigen Veränderungen unseres subjektiven Zeitgefühls bei Angst oder Fieber. Denn über Botenstoffe ist die innerer Uhr auch mit den Vorgängen in unserem Körper verbunden. Und diese Rückkopplung kann dazu führen, dass die Uhrengene im Gehirn und den Organen dann schneller oder langsamer "ticken". Wie das allerdings im Detail funktioniert, ist bislang noch nicht klar.

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