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Zwischenbilanz Kryptowährungen: Das große Pro und Contra

Nach zehn Jahren Bitcoin scheint es nicht mehr den Tatsachen zu entsprechen, noch von einem Trend zu sprechen. Kryptowährungen haben sich seit dem ersten Auftauchen von Bitcoin etabliert und eine ganze eigene Dynamik und einen ganz eigenen Wettbewerb untereinander entwickelt. Geblieben ist ihnen allen der Ruf, die große Alternative zu herkömmlichen Geldsystemen zu sein. Geblieben ist nach diesen zehn Jahren aber ebenso die Frage, ob die Kryptowährungen diesem Anspruch wirklich genügen können.

Bitcoin und Co. als Grundlage für ein neues Finanzsystem?

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Kryptowährungen auf dem Prüfstand

Da Kryptowährungen offenbar kein kurzlebiger viraler Trend sind, ihre Zukunft in gewisser Weise aber immer noch ungeklärt ist – vor allem hinsichtlich ihrer Rolle innerhalb bestehender und zukünftiger Finanzsysteme –, scheint eine eingehendere Analyse von Möglichkeiten und Restriktionen der digitalen Zahlungsmittel sinnvoll. Nicht zuletzt deshalb, weil seit der Einführung von Bitcoin, der ersten Währung dieser Art, verschiedene Hoffnungen an das virtuelle Geld geheftet wurden.

Von einer ernsthaften Konkurrenz zu üblichen Geldwährungen war und ist vielfach die Sprache, von einem demokratischeren Finanzfluss, bei dem die Banken nicht involviert werden. Kurzum: Die bessere Lösung zu bestehenden Währungssystemen. Inzwischen kursiert eine immer größer werdende Zahl von Kryptowährungen im Netz, was jedoch vornehmlich der Tatsache geschuldet ist, dass sich mit ihnen mutmaßlich schnell und einfach Geld verdienen lässt. Grund genug also, die Versprechungen, die mit Bitcoin und Co. zusammenhängen, auf den Prüfstand zu stellen.

Volatilität contra Gewinnchancen

Anders als bei herkömmlichen Währungen ist die verfügbare Menge etwa an Bitcoins von Anfang an begrenzt. Eine inflationäre Geldvermehrung, wie sie etwa von Notenbanken bisweilen betrieben wird oder werden muss, um das wirtschaftliche Gleichgewicht zu erhalten, ist mit Kryptowährungen bislang nicht vorgesehen. Die Folgen konnte man zu Jahresbeginn in den Medien verfolgen, als die Kurse sprunghaft anstiegen – und wieder fielen.

Risikofreudige Anleger sehen hierin selbstverständlich eine große Chance, sie spekulieren auf einen weiter steigenden Wert. Theoretisch funktionieren Bitcoin, Ethereum, Dash, IOTA und all die übrigen Kryptowährungen wie jedes Gut mit einer begrenzten Verfügbarkeit: Je weniger davon auf dem Markt zu bekommen ist und je größer die Nachfrage, desto höher steigen die Preise dafür.

Die Wertentwicklung von Kryptowährungen ist Chance und Nachteil gleichermaßen.

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Allerdings ist der Marktwert von Bitcoins nicht allein vom Angebot- und Nachfrage-Prinzip abhängig. Für Miner beispielsweise, die ihre Rechenkapazitäten bereitstellen, um die Blockchain am Laufen zu halten und Transaktionen überhaupt erst zu ermöglichen, ist es vielmehr eine Return-of-Investment-Frage.

Ausgaben für Hardware und vor allem Strom müssen sich im Vergleich zu den erwarteten Gewinnen immer noch rechnen. Beziehungsweisen müssen diese Unkosten erst erwirtschaftet werden. Ist der Break-Even-Point erreicht oder überschritten, werden tatsächlich Gewinne generiert.

Das Problem: Die Volatilität der Kryptowährungen, einschließlich des Potenzials für sprunghafte Kursanstiege, wirkt sich auch auf andere Märkte auf. Besonders trifft das auf den Hardware-Markt zu, auf dem die Preise für leistungsfähige Grafikkarten, die Miner für das Lösen der Blockchain-Verschlüsselungen, zwischenzeitlich ebenso rasant anzogen wie die der virtuellen Währungen. Vorläufig scheint in diesem Segment aber der Höhepunkt überschritten.

Der derzeitige Kursverfall der Kryptowährungen (Stand Juli 2018) hat auch bei der Hardware der aktuellen Generation für einen Preisverfall gesorgt. Hierbei spielen sicherlich die erwarteten neuen Grafikkarten von Marktführer Nvidia sowie die zunehmende Verbreitung sogenannter ASIC-Mining-Systeme, mit denen sich die geforderten Rechenaufgaben der Blockchain deutlich besser lösen lassen.

Sogenannte Mining-Rigs bieten ausreichende Rechenleistungen für das Bitcoin-Mining.

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Der eher spekulative Charakter der Kryptowährungen sorgt demnach für ähnliche Vorgänge in anderen Branchen und sogar auf dem Second Market – wo beispielsweise gebrauchte oder eigens für das Mining zusammengebaute Rechner ebenfalls Einfluss auf die Preisentwicklungen nehmen. Die Aussicht auf einen besseren Kurs macht aus dem alternativen Zahlungsmittel außerdem ein Spekulationsobjekt. Statt wirklich im Alltag mit Bitcoins und ähnlichen Währungen zu bezahlen, werden sie zurückgehalten in der Hoffnung auf eine (weitere) Wertsteigerung.

Keine Mainstream-Lösung contra vielfältige Anwendungsgebiete

Die Blockchain-Technologie, die den Kryptowährungen zugrunde liegt, wird von Experten schon lange als vielseitige Lösung für diverse Bereiche gehandelt. Trotzdem ist es bislang kaum gelungen, diese Technologie in den Alltag einzubringen. Auch wenn Kryptowährungen im Onlinehandel vermehrt eingesetzt werden, ist das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft.

In einem White Paper hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT eine ausführlichere Übersicht aufgestellt, in welchen Bereichen die Blockchain-Technologie eingesetzt werden kann. Die Kryptowährungen sind in dieser Hinsicht nämlich nur das prominenteste Beispiel für Applikationen auf der Basis dieser Technologie. Denkbar wären zum Beispiel:

  • Smart Contracts, bei denen es sich im Wesentlichen um Computerprogramme mit einem festen Skript handelt, die in der Blockchain hinterlegt werden und beim Eintreten eines bestimmten externen Ereignisses vorher festgelegte Handlungen einleiten. Als praktisches Beispiel nennen die Autoren die Möglichkeit, die Vermietungen von Besitztümern künftig ohne physische Schlüsselübergabe abzuwickeln.
  • Solche Kontrakte bilden zudem die Grundlage für die Idee der Dezentralen Autonomen Organisation (DAO). Wie bei jeder herkömmlichen Organisation soll auch mit den DAOs ein bestimmtes Ziel verfolgt werden. Entscheidungen werden dabei auf Grundlage des entsprechenden Quellcodes getroffen, der in der Blockchain festgelegt wird und dort für alle Beteiligten einsehbar ist.
    Eine zentrale Instanz, die ohne Rücksicht auf beteiligte Individuen ihre Entscheidungen trifft, gibt es hierbei nicht – völlig offen ist allerdings, wie unter solchen Bedingungen Fragen der Haftung und Verantwortlichkeit gelöst werden sollen. Außerdem besteht auch bei dieser Anwendung die Möglichkeit der Manipulation, wie das Beispiel des DAO-Hacks aus dem Jahre 2016 illustriert.

Darüber hinaus greift das White Paper diverse Anwendungskonzepte im Bereich des Finanzwesens auf, die über die bekannte Funktion als Währung hinausgehen. Der Zahlungsverkehr könnte zum Beispiel mit Hilfe der Blockchain das Zwischenschalten weiterer Akteure überflüssig machen – statt Transaktionen über Banken, Clearing-Stellen und andere abzuwickeln, könnte die Blockchain selbst als Zahlungssystem fungieren.

Die Blockchain basiert auf einem dezentralen, global gespannten Netzwerk.

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Prognostiziert werden schnellere und effizientere Transaktionen, die gerade im internationalen Zahlungsverkehr eine deutliche Kostensenkung bewirken könnten. Eine ähnliche Beschleunigung der bisherigen Prozesse ist außerdem bei Kapitalmarktgeschäften denkbar, die sich durch mehrfache Datenabgleiche üblicherweise über mehrere Tage hinziehen.

Weitere Anwendungsbereiche für die Blockchain-Technologie wären:

  • Der öffentliche Sektor, wo sie beispielsweise bei der Umsetzung von Wahlen (im Sinne einer transparenteren Durchführung, die Manipulationen verhindert) eingesetzt werden könnte oder beim automatisierten Einziehen von Steuern. Generell werden die größten Chancen in eben dieser Automatisierung gesehen, die viele bürokratische Prozesse schneller und effizienter ablaufen lassen könnte.
  • Das Rechtswesen, wenn es zum Beispiel um die Verifizierung von Urheberschaften, Eigentumsrechten (insbesondere von digitalen Objekten) oder die Durchsetzung von Vertragsinhalten geht.
  • Das Internet der Dinge (Internet of Things, IOT), ganz sicher einer der Megatrends der Zukunft, wenngleich die Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Die Blockchain könnte bei der Vernetzung entsprechender Geräte in dem Sinne helfen, dass sie etwa das Problem der Interoperabilität behebt. Abgesehen davon können smarte Geräte noch autonomer gemacht werden.
    Die ersten Ansätze dazu existieren bereits, etwa in Form einer Waschmaschine, die eigenständig Waschmittel nachbestellen kann. Auch in diesem Bereich, verspricht die Blockchain also eine Weiterentwicklung zu bisherigen Überlegungen, indem sie die Automatisierung von Prozessen vorantreibt. Besonders die Aspekte Transaktionen und Koordination zwischen den IoT-Geräten stehen hierbei besonders im Fokus.

Offenkundig ist es also theoretisch möglich, die Blockchain in nahezu allen Lebensbereichen einzusetzen, die mit der digitalen Welt in Berührung kommen. Ganz unproblematisch sind solche Szenarien allerdings nicht. Wie das DAO-Beispiel gezeigt hat, ist die Technologie, auf denen die Kryptowährungen basieren, keineswegs frei vom Faktor Mensch und damit durchaus in der potenziellen Gefahr, doch noch manipuliert zu werden. Ausschließen lässt sich das offensichtlich nicht.

Das größte Hindernis könnte aber vorerst noch in der Verbreitung der Technologie bestehen. Trotz aller Möglichkeiten hat es bislang weder für die Blockchain noch für die Kryptowährungen eine Mainstream-Adaption gegeben, die massentauglich wäre. Solange es eine solche Anpassung nicht gibt, dürfte trotz des anhaltenden Hypes und trotz des Interesses von Regierungen und Konzernen keinen wirklichen Durchbruch geben.

Dezentralisierung contra Effizienz

In Zeiten digitaler Übergriffe durch Hacker wird die dezentrale Funktionsweise der Blockchain gerne als Argument für die Sicherheit der übermittelten und gespeicherten Informationen angeführt. Transaktionen scheinen sicherer, weil es keinen zentralen Anlaufpunkt gibt, um das gesamte System zum Einbrechen zu bringen. Darüber hinaus, das wurde bereits angesprochen, gibt es keine alleinigen Entscheidungsträger mehr, die der Blockchain sozusagen ihren Willen aufdrücken könnten.

Zunächst muss aber festgehalten werden, dass schon die Begrifflichkeit einen falschen Eindruck von der Funktionsweise der Technologie erweckt. „Dezentral“ legt die Vermutung nahe, dass auch die beteiligten Rechner in gewisser Weise unabhängig voneinander agieren, dass die notwendigen Berechnungen auf das gesamte Netzwerk verteilt werden. Tatsächlich machen aber alle Rechner, die in der Blockchain involviert sind, dasselbe: Transaktionen werden überprüft, dabei werden identische Prozesse befolgt, dieselben Daten werden zu einer Blockchain zusammengefasst und anschließend deren gesamter Verlauf gespeichert.

Mining Farmen verfügen über ausreichend Rechenleistung, um Bitcoins in größerem Umfang zu generieren.

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Alle diese Prozesse laufen parallel ab, sie werden schlicht und ergreifend vervielfältigt, ohne die Vorgänge dadurch zu beschleunigen. Dabei wäre genau das ein wichtiger Ansatzpunkt, um Kryptowährungen als alltagstaugliches Zahlungsmittel zu etablieren. Da die Nutzung von Bitcoin und Blockchain aber voraussetzt, den gesamten bisherigen Transaktionsverlauf zu speichern, ist diese Lösung für viele potenzielle Nutzer weitgehend unbrauchbar: Bei Bitcoin beispielsweise beläuft sich die Größe des Verlaufs auf 100 Gigabyte, bei Ethereum sind es sogar schon 200 Gigabyte.

Technische Grenzen und Peer-to-Peer

Das heißt in vielen Fällen, dass bereits die Verwendung eines lokal gespeicherten Wallets, mit dem Transaktionen durchgeführt und die Einheiten einer Kryptowährung gespeichert werden können, wegen der langen Downloadzeit des Verlaufs unpraktikabel sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenmenge ständig weiterwächst. Dadurch wird nicht nur der Zeitaufwand für den notwendigen Download immer größer, als sehr viel problematischer könnten sich irgendwann die benötigten Speicherkapazitäten herausstellen – zumindest herkömmliche Computer erreichen früher oder später ihr Limit, was – wie bereits erwähnt – einem Einsatz im Alltag im Wege stehen könnte.

Die Alternative bestünde darin, die Blockchain so umzugestalten, dass nicht jedes Mitglied des gesamten Netzwerks die Transaktionskette vollständig herunterladen müsste, um mit ihr zu arbeiten. Allerdings widerspricht ein solches Vorgehen dem zugrundeliegenden Konzept der Dezentralisierung – selbst wenn die gesammelten Daten auf einem Teil der Netzwerkknoten hinterlegt wären, entspricht das im Grunde einer typischen Client-Server-Struktur.

Genau die soll durch den Peer-to-Peer-Ansatz (P2P) der bewusst einen oder mehrere zentrale Server umgeht, die das Netzwerk organisieren könnten. Dafür gibt es zwei Gründe:

  1. Im P2P-Netzwerk sorgt der Ausfall eines Knotenpunkts nicht für den Ausfall des gesamten Systems. Das sorgt nicht nur für mehr Stabilität, sondern ist auch als Sicherheitsmaßnahme gegen Angriffe von außen zu verstehen.
  2. Gleichzeitig sollen durch den Wegfall zentraler Server die Manipulationsmöglichkeiten innerhalb des Netzwerks ausgeschlossen werden. Da alle Teilnehmer den gesamten Verlauf einsehen können, ist theoretisch für größtmögliche Transparenz gesorgt.

Hintergrund ist das grundsätzliche Misstrauen gegenüber allen zwischengeschalteten Vermittlern, die auf die Transaktionen einwirken könnten. Wie bereits angesprochen bedeutet das in der Praxis etwa, bei Finanzgeschäften gänzlich auf Banken oder andere Institutionen zu verzichten.

Grundsätzlich mag das als Konzept zutreffen, in der Praxis sieht es allerdings anders aus. Das liegt vor allem daran, dass der Mining-Prozess, mit dem Bitcoins für das Lösen der kryptografischen Rätsel der Blockchain generiert werden, selbst für einen einzelnen, technisch gut ausgestatteten Rechner ein äußerst langwieriger Prozess ist. Hinzu kommt, dass die Erlöse für einzelne Miner vergleichsweise gering und ohne Garantie sind.

Dieses Problem ist zwar längst durch sogenannte Mining-Farmen und Mining-Pools gelöst, daraus ergibt sich aber ein Neues: Solche Zusammenschlüsse sorgen wiederum für eine größere Angreifbarkeit, was besonders für Mining-Farmen gilt. Diese sind kein virtueller Zusammenschluss wie die Pools, sondern Rechnerbatterien mit einem festen Standort. Das macht es prinzipiell leichter, die Kontrolle über einen vergleichsweise großen Anteil der verwendeten Rechenleistung zu erhalten.

Freiheit contra Regulierung

Abgesehen von wirtschaftlichen Erwägungen haftet Kryptowährungen auch immer eine schon ideologisch zu nennende Dimension an. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sie einen freieren, demokratischeren Gegenpol zu den etablierten Finanzinstituten darstellen sollen. Dennoch stellt sich die Frage: Wie frei und demokratisch sind Bitcoin und Co. denn eigentlich? Und können aus der Regulierung nicht auch Vorteile erwachsen?

An den Anfang muss allerdings die Frage gestellt werden, warum Kryptowährungen überhaupt demokratisch sein sollten. Immerhin hängt ihnen, ungeachtet der breiten öffentlichen Debatte, weiterhin das Image eines Hacker-Konstrukts an. Das widerspricht nicht dem Streben nach mehr Demokratie, macht aber das grundsätzliche Dilemma sichtbar: Theoretisch steht allen Menschen die Nutzung, ohne ein gewisses technisches Verständnis dürfte diese derzeit jedoch kaum möglich sein.

Selbst ein vergleichsweise einfaches Mining Rig erfordert ein Mindestmaß an technischem Wissen.

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Die Idee von Demokratie hinter Kryptowährungen und Bitcoin suggeriert aber ein Konzept ohne ungleiche Verteilung von Informationen und ohne die Möglichkeit einer Übervorteilung. Was zum Beispiel mit der Festlegung einer Obergrenze für die generierte Geldmenge der Fall versucht wird, anders als beispielsweise bei von Zentralbanken gesteuerten Währungen. Darüber hinaus verspricht die Blockchain-Technologie ja tatsächlich, Transaktionen für alle Beteiligten nachvollziehbar zu machen, weil diese unveränderbar als Datenblock aufgenommen werden.

Unterschiede Kryptowährungen und konventionelle Währungen

Weil außerdem keine staatlichen Regulierungen oder Restriktionen vorgesehen sind, stehen Kryptowährungen für viele für ein Höchstmaß an Freiheit. Eine direktere Bürgerbeteiligung ist gemessen an den Formen demokratischer Staatsformen vielleicht sogar wirklich nicht denkbar, dennoch bleibt die zuvor gestellte Frage im Raum, wie viel Freiheit und Demokratie mit einem solchen Konzept überhaupt geboten werden kann. Denn einige Aspekte deuten eher darauf hin, dass das gegebene Versprechen nicht eingehalten werden kann:

  • Demokratische Beteiligung

    Der Wunsch, die Zentralbanken bei einem neuen Finanzsystem zu umgehen, um ein solches demokratischer zu gestalten, übersieht eine wichtige Tatsache – die Zentralbanken stehen nicht außerhalb der Demokratie, vielmehr sind im Fall der Deutschen Bundesbank sowohl die Bundesregierung, der Bundesrat als auch der Bundespräsident in die Besetzung der Vorstandsmitglieder involviert. Institutionen also, die selbst durch die Beteiligung wahlberechtigter Bürger überhaupt erst zu dieser Aufgabe kommen.

  • Verantwortlichkeit

    Viele Zentralbanken unterliegen zudem der staatlichen Kontrolle, das heißt, die Regierungen können in Krisensituationen in die Geschäfte der jeweiligen Zentralbank eingreifen. Das gilt übrigens nicht für die Deutsche Bundesbank, die nach dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank, Paragraph 12 Satz 1, von den Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist. Umgekehrt können die Zentralbanken ihrerseits Krisenentwicklungen vorbeugen, indem sie in Rezessionsphasen mehr Geld in Umlauf bringen oder umgekehrt den Geldfluss durch Zinserhöhungen verknappen.

    Der Gesetzgeber sorgt darüber hinaus für den Schutz der Verbraucher und zwar in Form der Einlagensicherung. Damit ist gesetzlich vorgesorgt für den Fall, dass eine Bank etwa in Folge einer ausgedehnten Finanzkrise Insolvenz anmelden muss. Kunden mit klassischen Bankeinlagen (dazu gehört beispielsweise das Girokonto) müssen unter solchen Umständen keinen totalen Verlust befürchten, sondern bekommen ihre Einlagen bis zu einer bestimmten Höhe erstattet. Eine solche Regelung besteht mit der Anlegerentschädigung auch für Wertpapiergeschäfte.

Die Deutsche Bundesbank ist ein wichtiger Faktor für die Stabilität des deutschen Finanzsystems.

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  • Privatsphäre

    Lässt man einmal die Tatsache beiseite, dass zu einer herkömmlichen Finanztransaktion mindestens die Bank als Vermittler zwischengeschaltet ist, werden die Informationen nur zwischen Sender und Empfänger übermittelt. Weiteren Instanzen sind sie, jedenfalls nicht ohne weiteres, dabei nicht zugänglich.

Diese drei Aspekte markieren die wichtigsten Unterschiede zwischen konventionellen Finanz- und Währungssystemen und solchen, die auf der Blockchain-Technologie und Kryptowährungen beruhen. Beziehungsweise zeigt der erste genannte Punkt, dass die bestehenden Finanzsysteme nicht zwingend so undemokratisch sind, wie sie von der Blockchain-Gemeinde meist dargestellt werden. Im Gegenteil ist die staatsbürgerliche Beteiligung am demokratischen Willensbildungsprozess sogar ein gesetzlich verbrieftes Recht, während laut Mathematiker und Kryptograph Prof. Dr. Rüdiger Weis von der Beuth-Hochschule für Technik Berlin um den demokratischen Gedanken von Bitcoin schlecht bestellt ist.

Vor- und Nachteile konventioneller und virtueller Finanzsysteme

Mechanismen wie die Einlagensicherung oder die Möglichkeit zur staatlichen Intervention auf Zentralbankebene in Krisenzeiten zeigt außerdem, dass zentrale Institutionen sehr wohl einen stabilisierenden Effekt auf ein ganzes System haben können. Sie bieten überdies Schutz, weil Verantwortlichkeiten klar geregelt sind – anders als bei den Kryptowährungen, deren offener Charakter in genau diesem Punkt ein erheblicher Nachteil ist: Verluste durch Kurseinbrüche werden von keiner Institution aufgefangen, Anleger in Kryptowährungen droht unter diesen Voraussetzungen der Totalverlust.

Drastisch ausgedrückt gilt das ebenso für die Privatsphäre. Wenn alle Blockchain-Transaktionen mit all ihren Informationen für immer gespeichert und für jedermann nachvollziehbar sind, kommt das einer völligen Aufgabe der Privatsphäre gleich. Die vermeintliche Anonymität im Zusammenhang mit Kryptowährungen ist deshalb bestenfalls gegenüber Personen und Institutionen aufrechtzuerhalten, die nicht dem Netzwerk angehören. Innerhalb des Netzwerks ist sie nur durch zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Einzelnen möglich.

Die Einführung des venezuelanischen Petros ist auch ein Versuch, eine Kryptowährung unter nationalstaatliche Kontrolle zu bringen.

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Dass verschiedene Länder eigene Kryptowährungen in Erwägung ziehen oder bestehende zumindest anerkennen, hat dabei nicht nur mit der Aussicht auf einen Anteil an dem mutmaßlichen Geldsegen zu tun. Es geht dabei auch um einen regulierenden Zugriff auf ein eigenständiges Finanzsystem, das sich bislang jeder Kontrolle entziehen konnte. Genau hierin liegt eines der Probleme, das von den Finanzbehörden befürchtet wird: Fehlende Regularien und die Anonymität vor juristischen Institutionen schaffen die Möglichkeit, virtuelle Währungen für illegale Geschäfte zu nutzen oder um Geld aus solchen zu waschen.

Die rechtliche und steuerliche Billigung von Bitcoins und Co. hat insgesamt den Vorteil einer gewissen Rechtssicherheit, die ansonsten wegen der ungeklärten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten nicht besteht. Für die Finanzministerien hat es überdies den positiven Nebeneffekt, Kryptowährungen dadurch auch steuerlich erfassen zu können. Damit wäre die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen allerdings in Teilen hinfällig.

Fazit: Zwischenbilanz ohne klares Ergebnis

Nach zehn Jahren Bitcoin bleibt es immer noch schwierig, eine Aufstellung der Vor- und Nachteile zu einem klaren Ergebnis für oder wider die virtuellen Währungen zu finden. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Potenziale von Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie in der Praxis bislang nicht umgesetzt werden konnten – zumindest nicht massen- und alltagstauglich. So vielversprechend die Idee hinter dem virtuellen, unabhängigen Finanzsystem sein mag, so ungeklärt sind dabei viele Fragen.

Davon ausgenommen sind die denkbaren Anwendungsmöglichkeiten, die sich für jeden Lebensbereich finden lassen. Allein die Umsetzung bleibt schwierig: Offene Rechtsfragen erschweren beispielsweise einen flächendeckenden Einsatz sowohl der Blockchain als auch der Kryptowährungen. Die technische Machbarkeit, besonders im Hinblick auf die erforderlichen Rechen- und Speicherkapazitäten, aber auch auf den notwendigen Energieeinsatz, hängt von der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung ab.

Auch die Tatsache, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen vielfach wie Anlageobjekte gehandelt werden, spricht nicht zwingend dafür, eine ausgereifte Alternative zu konventionellen Finanzsystemen gefunden zu haben. Es bleibt daher weiterhin abzuwarten, wie sich die alternativen Währungen und die ihnen zugrundeliegenden Technologien in Zukunft entwickeln, bevor ein abschließendes Urteil gefällt werden kann.

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