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Atmung: Lebenslanger Rhythmus

Wo findet die Atmung tatsächlich statt?

Oberflächlich nehmen wir sie als Luftströme im Nasen- und Rachenraum wahr. Sie erfolgt jedoch im Innern des Brustraums, dessen Volumen sich ständig ändert. Die Atmung (Ventilation) ist ein Pumpprozess, bei dem frische Luft in die Lunge eingezogen und verbrauchte Luft wieder ausgestoßen wird. Durch die Atmung werden die Sauerstoffvorräte des Körpers ständig ergänzt und das überflüssige Kohlendioxid abtransportiert. Während des Gasaustauschs innerhalb der Lungenbläschen nimmt der Sauerstoffgehalt der Luft in der Lunge ab, der Kohlendioxidgehalt jedoch zu.

Der Atemmechanismus ist ein rhythmischer Prozess, der vom Augenblick unserer Geburt bis zum Tod unaufhörlich abläuft. Dabei bewegt sich die Lunge nicht aktiv, denn sie besitzt kein eigenes Muskelgewebe. Das Lungengewebe verfügt jedoch über genügend Elastizität, so dass es sich ausdehnen und wieder zusammenziehen kann.

Welche Funktion übernimmt das Brustfell?

Das Brustfell, das das Innere des Brustraums auskleidet und die beiden Lungenflügel überzieht, hilft, ein Vakuum zwischen Lungenflügeln, dem sie umgebenden knöchernen Brustkorb und dem Zwerchfell aufrechtzuerhalten. Dieser Unterdruck verhindert, dass die Lunge zusammenfällt. Sie folgt deshalb den Bewegungen der Rippen und des Zwerchfells. Auf dem Brustfell befindet sich ein flüssiger Film, auf dem die Lunge während der Atmung reibungslos über die Rippen gleitet.

Was machen Zwerchfell und Zwischenrippenmuskeln?

Sie verändern das Brustraumvolumen. Das Zwerchfell (Diaphragma) ist eine aus quer gestreifter Muskulatur bestehende Muskelplatte, die eine beherrschende Rolle beim Atemvorgang spielt. Die Veränderungen des Brustraumvolumens werden hauptsächlich durch das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln verursacht. Während der Kontraktion flacht sich das Zwerchfell ab, weitet den Brustraum und drückt die Bauchorgane nach unten. Bei der Entspannung hebt sich die Zwerchfellkuppel durch den Druck im Bauchraum wieder nach oben. Die inneren und äußeren Zwischenrippenmuskeln verbinden benachbarte Rippen miteinander. Die Kontraktion der äußeren Zwischenrippenmuskeln vergrößert das Brustraumvolumen, die Kontraktion der inneren verkleinert es.

Was passiert bei der Einatmung?

Bei der Einatmung, auch Inspiration genannt, kontrahiert das Zwerchfell und senkt sich nach unten ab. Die gleichzeitige Kontraktion der äußeren Zwischenrippenmuskeln hebt die Rippen an und drückt sie nach außen. Dabei wird das Brustbein nach vorne verlagert. Dadurch vergrößert sich das Brustraumvolumen und mit ihm das Lungenvolumen. Der Druck im Innern sinkt ab und Luft wird durch Nase und Mund eingesogen.

Wie verläuft die Ausatmung?

Die Ausatmung, die auch als Exspiration bezeichnet wird, ist bei ruhiger Atmung meist ein passiver Vorgang, da die natürliche Eigenelastizität des Lungengewebes dafür sorgt, dass sie sich nach der Ausdehnung wieder zusammenzieht. Bei Entspannung hebt sich die Zwerchfellkuppel durch den Druck der Bauchorgane wieder nach oben. Auch die äußeren Zwischenrippenmuskeln entspannen sich und senken den Brustkorb. Dies führt zur Abnahme des Brustraumvolumens und zur Komprimierung der Lungenbläschen. Der Druck in ihrem Innern erhöht sich und die Luft wird aus der Lunge durch Mund und Nase ausgestoßen.

Welche verschiedenen Atemtechniken gibt es?

Es werden zwei verschiedene Atemformen unterschieden: die Zwerchfell- und die Brustatmung. Bei normaler, ruhiger Atmung in entspannter Sitzposition bewegen sich die Rippen nur wenig und die Atmung kommt hauptsächlich durch die Tätigkeit des Zwerchfells zustande. Dabei werden etwa 500 Milliliter Luft eingeatmet. Diese Atmung wird als Zwerchfell- oder auch Bauchatmung bezeichnet, da der Bauch sich während der Atmung rhythmisch nach vorn wölbt.

Bei körperlicher Anstrengung ist die Einatmung tiefer, so dass mehr Luft in die Lungen gelangt, um dem vermehrten Sauerstoffbedarf des Körpers gerecht zu werden. Jetzt spielen die Zwischenrippenmuskeln eine wichtigere Rolle. Dies wird an der Bewegung des Brustkorbs und einer Gruppe von Atemhilfsmuskeln (z. B. bei dem am Nacken gelegenen Kopfwender) sichtbar, die die Ausdehnung des Brustkorbs nach oben unterstützen. Diese Atemweise wird als Brustatmung bezeichnet, bei der das aktive Anheben der Rippen deutlich sichtbar ist.

Wussten Sie, dass …

wir am Tag etwa 20 000-mal atmen?

Sie während des Schlafs die Menge Luft ein- und ausatmen, die sich in Ihrem Zimmer befindet? Lassen Sie das Fenster in der Nacht also besser geöffnet.

die Mund-zu-Mund-Beatmung nur deswegen wirksam ist, weil unsere Ausatemluft von den ursprünglich eingeatmeten 21 Prozent Sauerstoff immer noch 17 Prozent enthält?

Können wir unsere Atmung steuern?

Nur geringfügig. Obwohl wir für kurze Zeit bewusst unsere Atemfrequenz ändern und den Atem sogar anhalten können, behält das Atemzentrum dennoch die Gesamtkontrolle.

Das Atemzentrum im verlängerten Mark des Hirnstamms steuert und modifiziert die Atemfrequenz. Im Ruhezustand atmet ein Erwachsener 12- bis 18-mal pro Minute ein und aus. Diese Frequenz genügt, um den Sauerstoffbedarf des Körpers zu decken. Während körperlicher Anstrengung – z. B. beim Sport – kann sich diese Frequenz jedoch mehr als verdoppeln. Dabei erhöht sich auch das Atemvolumen. Der Anstieg von Atemfrequenz und Atemvolumen erhöht die Sauerstoffmenge, die durch den Gasaustausch ins Blut gelangt. Dadurch kann die Skelettmuskulatur mit den großen Sauerstoffmengen versorgt werden, die sie zur Freisetzung der für die Bewegung benötigten Energie braucht. Auch das vermehrt entstehende Abfallprodukt Kohlendioxid wird dadurch leichter entfernt. Die Atemfrequenz erhöht sich auch in Angst- und Stresssituationen und bereitet so den Körper auf eine entsprechende Reaktion vor.

Wie arbeitet das Atemzentrum?

Das Atemzentrum im Hirnstamm passt Atemfrequenz und Atemvolumen an die Informationen an, die es über den Zustand der Homöostase im Körper empfängt. So werden die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration auf der erforderlichen Höhe erhalten. Chemorezeptoren entdecken jede Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration im Blut und geben ihre Information ans Atemzentrum weiter. Außerdem erhält das Atemzentrum Informationen von den Dehnungsrezeptoren in den Muskeln, die die erhöhte Bewegungsaktivität wahrnehmen. In regelmäßiger Abfolge sendet das Atemzentrum Nervenimpulse an das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln und veranlasst sie zur Kontraktion.

Wie lange dauert ein Atemzug?

Im Ruhezustand dauert ein Impuls zum Einatmen etwa zwei Sekunden, die Ausatmungsphase etwa drei Sekunden. Bei körperlicher Aktivität verkürzen sich beide Phasen.

Was kann den Atemzug stören?

Er lässt sich z. B. durch Gähnen oder Husten aus dem Rhythmus bringen.

Beim Gähnen atmen wir mit weit geöffnetem Mund tief ein. Die Einatmungsphase ist also deutlich verlängert. Gähnen ist ein Reflex und kann durch eine erhöhte Kohlendioxidkonzentration im Blut ausgelöst werden. Es dient dazu, die Lunge schneller von verbrauchter Luft zu befreien.

Husten erfolgt meist als Atemschutzreflex, der die tieferen Atemwege von Schleim, Staub, schädlichen Dämpfen oder Fremdkörpern befreien soll. Ein Fremdkörper im Kehlkopf oder in den Atemwegen führt zu einem ungewöhnlich tiefen Atemzug. Die Stimmritze schließt sich, es kommt zu einer starken Muskelanspannung der Brustmuskeln und der Luftdruck in den Atemwegen steigt. Plötzlich öffnet sich die Stimmritze durch einen kräftigen Ausatmungsstoß und mit der Luft wird auch das reizauslösende Objekt in die Mundhöhle ausgestoßen.

Wann kommt es zum Schluckauf?

Ein Schluckauf tritt meist als Folge einer Zwerchfellreizung auf. Durch krampfartige Kontraktionen kommt es zu stoßartigem, unwillkürlichem Einatmen mit nachfolgendem, hörbarem Schluss der Stimmritze, dem für den Schluckauf charakteristischen Geräusch. Die Maßnahmen gegen diese oft quälende Störung des Atemrhythmus sind sehr individuell und reichen von »Luft anhalten« bis hin zum Kopfstand.

Wie passt sich der Atem in großer Höhe an?

In Höhen ab 2500 Metern sind Dichte und Sauerstoffgehalt der Luft bedeutend geringer als auf Meereshöhe. Bei Menschen, die in großen Höhen, z. B. in den Anden, leben, gleicht sich der Körper an die veränderten atmosphärischen Verhältnisse an. Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Veränderungen.

Zum einen macht die geringere Sauerstoffkonzentration der Luft die Chemorezeptoren in den Blutgefäßen empfindlicher. Dies veranlasst das Atemzentrum im verlängerten Mark zur Erhöhung der Atemfrequenz, so dass die Homöostase aufrechterhalten wird und dem Körper ausreichend Sauerstoff zugeführt wird. Bei einem in großer Höhe lebenden Menschen beträgt die in einer Minute ein- und ausgeatmete Luftmenge acht bis neun Liter gegenüber sechs Liter auf Meereshöhe.

Zum anderen stimuliert die niedrigere Sauerstoffkonzentration im Blut die Nieren zur Ausschüttung des Hormons Erythropoetin, das die Bildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Durch die Erhöhung der Anzahl roter Blutkörperchen kann das Blut mehr Sauerstoff transportieren.

Was versteht der Mediziner unter …

Schlafapnoe-Syndrom? Bei dieser häufig bei übergewichtigen, älteren Männern auftretenden Krankheit setzt im nächtlichen Schlaf anfallsweise für die Dauer von zehn Sekunden bis zu einer Minute die Atmung aus und spontan wieder ein. Typisch sind lautes Schnarchen, Kopfschmerzen am Morgen und eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit.

Mukoviszidose? Die auch »zystische Fibrose« genannte angeborene Stoffwechselerkrankung führt dazu, dass die exokrinen Drüsen sehr zähes, salzreiches Sekret produzieren, das besonders in den Bronchien, aber auch in anderen Organen Probleme verursacht. Bereits die Säuglinge neigen zu häufigen Lungenentzündungen und gedeihen schlechter.

Pertussis? »Keuchhusten« ist eine durch Tröpfcheninfektion beim Atmen und Husten übertragene Kinderkrankheit. Durch Verengung der Stimmritze klingt das Einatmen laut und gequält, bis endlich zäher Schleim abgehustet werden kann

Tuberkulose? Diese auch einfach »Tb« oder »Tbc« genannte meldepflichtige, weltweit verbreitete Infektionskrankheit wird durch den Erreger Mycobacterium tuberculosis übertragen. Sie betrifft meist die Lunge, kann aber auch andere Organe befallen.

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