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Bridgerton: Was ist das Besondere an der Regency-Ära?

Wunderschöne Ballkleider, gigantische Hochsteckfrisuren und ein Streichquartett, das Taylor-Swift-Songs für den Debütantinnenball spielt. Das ist die Welt der Netflix-Serie „Bridgerton“. Die Show spielt im Großbritannien des frühen 19. Jahrhunderts, während der sogenannten Regency-Ära. Doch was machte diese Zeit aus? Wie verlief das Leben von King George und Queen Charlotte wirklich? Und was fasziniert uns heute so an dieser historischen Epoche?
THE, 22.05.2024
Gäste eines Kostümballs

© SeventyFour, iStock

Meine hochverehrte Leserschaft – habe ich ihnen gefehlt? Vermutlich nicht, aber alle, die in den letzten Monaten der dritten Staffel der aktuellen Kultserie „Bridgerton“ entgegengefiebert haben, kennen den Satz vermutlich nur zu gut. In der auf einer Romanreihe der US-Autorin Julia Quinn basierenden Netflix-Serie geht es um eine aristokratische Familie in London. Mama und Papa Bridgerton haben zahlreiche Kinder: Anthony, Benedict, Colin und noch fünf weitere. Dem aufmerksamen Leser ist es schon aufgefallen: Die Anfangsbuchstaben der Vornamen der Bridgerton-Sprösslinge sind alphabetisch geordnet.

Doch anders als andere berühmte literarische Familien erleben die Bridgertons im Fortgang der Show ganz und gar keinen Niedergang. Im Gegenteil: Dem Serienkonzept nach feiert pro Staffel je eines der Kinder durchschlagenden Erfolg auf dem Heiratsmarkt – in der ersten Staffel heiratete beispielsweise Daphne, die Vierte im Bunde, den Herzog von Hastings. All dies ereignet sich vor der Kulisse des frühen 19. Jahrhunderts in England, der sogenannten Regency Era. Ihren Namen erhielt sie, weil damals – von 1811 bis 1820 – der Prince of Wales die stellvertretende Regentschaft anstelle seines Vaters, des Königs George III. übernahm. Die Stilepoche wird dabei allerdings oft deutlich weiter ausgelegt als die neunjährige Amtszeit als Prinzregent.

Royal Pavilion in Brighton
Der märchenhafte Royal Pavilion in Brighton ist ein Symbol des verschwenderischen Lebenstils des Prinzregenten.

© scottyh, iStock

Die Herrschaft von King George der Dritte

Wahre „Bridgerton“-Fans kennen die Geschichte von George III. und seiner Gemahlin  Charlotte vermutlich aus dem Netflix Special „Queen Charlotte“. Denn die 2023 erschienene, sechsteilige Mini-Serie beruht auf wahren Begebenheiten. George der Dritte war von 1760 bis 1801 zwar König von Großbritannien und Irland. Während seiner Herrschaft eroberte gelang den Briten zunächst die Eroberung der französichen Besitzungen in Indien und Kanada, nur um dann im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einen großen Teil der nordamerikanischen Kolonien zu verlieren.

Allerdings litt der gebildete und zurückhaltende junge König an einer Stoffwechselstörung namens Porphyrie. Während heutige medizinische Verfahren die Symptome gut in Schach halten können, verlor King George langsam den Verstand. Aus diesem Grund ging er auch unter dem Spitznamen „Mad King George“ in die Geschichte ein und sein Sohn musste die Regierungsgeschäfte übernehmen. Sein bodenständiger Lebensstil trug George III. außerdem den etwas schmeichelhafteren und auch in der Serie gern erwähnten Spitznamen „Farmer George“ ein.

König George III. von Gainsborough (1781) und Queen Charlotte von Benjamin West (1779)
König George III. und Queen Charlotte, beide Darstellungen um 1780

© Historisch

Die Ehe von King George und Queen Charlotte

Auch die glückliche Ehe von King George III. und Queen Charlotte, um die sich die Mini-Serie „Queen Charlotte“ dreht, ist nicht frei erfunden. Im Alter von 23 Jahren heiraten die beiden, nachdem sie sich – wie auch in der Serie gezeigt – am Hochzeitstag kennengelernt haben. Der ursprüngliche Titel der jungen Braut war Prinzessin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz.

Angeblich wurde George auf die junge Prinzessin aufmerksam, weil ein Brief, den sie an den preußischen König verfasste und in dem sie sich über das Betragen der preußischen Armee in Mecklenburg mokierte, so berühmt wurde, dass man ihn abdruckte und er so seinen Weg nach England fand. Doch weil Historiker diesen Brief bis heute vergeblich suchen, bleibt unklar, ob diese Geschichte der Wahrheit entspricht.

Und trotz ihrer beeindruckenden historischen Nähe wurden auch der Netflix-Serie einige Details hinzugedichtet: Anders als dort dargestellt war Queen Charlotte beispielsweise keine Person of Colour. Zwar gibt es Spekulationen, ob sie möglicherweise über ihre portugiesischen Vorfahren auch afrikanische Wurzeln haben könnte, dies lag jedoch zum Zeitpunkt des Seriengeschehens “bereits zwanzig Generationen zurück”. Und ob die Diener der beiden Regenten tatsächlich eine homosexuelle Liebschaft pflegten, bleibt ebenfalls zweifelhaft.

Kultiviertheit und Bildung

Beim Schauen von Bridgerton fällt auf, wie viel Wert beim historischen „Dating“ auf die Bildung der Damen, aber auch der Herren gelegt wird: Wenn das Objekt des Interesses die alten Sprachen Griechisch und Latein beherrscht, interessante Bücher liest und dann noch Klavier oder Geige spielt, steigen deren Heiratschancen immens. Und tatsächlich gilt die Zeit der Regency-Ära als eine Phase der Kultiviertheit und Bildung. Einige wichtige Werke der englischen Literatur, wie etwa „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen wurden damals verfasst.

Was die farbenfrohe Netflix-Serie allerdings nicht zeigt, ist die Lebensrealität der Mehrheit der englischen Bevölkerung zu dieser Zeit – und: Die napoleonischen Kriege, die Industrialisierung, sowie ein Sommer, der auch als der „erntefreie Sommer“ in die Geschichte einging, führten zu weit verbreiteter Armut. Viele Menschen lebten in Slums und wurden wegen Krankheit und Hunger im Schnitt nicht älter als 22 Jahre. Der herrschende Adel konnte und wollte den verheerenden Zuständen nichts entgegensetzen.

Faszination der Vergangenheit

Stolz und Vorurteil, Krieg und Frieden, Frankenstein – all diese bekannten Werke spielen zu Zeiten der Regentschaft von George dem Dritten. Die Kulisse der romantischen Bälle und prunkvollen Kleidung könnte schon allein Grund sein, sie zu lieben. Doch laut dem US-Autor und Literaturkritiker  Neal Wyatt ist es nicht allein die Epoche, die sogenannten Regency-Werke auszeichnet.

Vielmehr seien es die „funkelnden Dialoge, intelligente, gut gedrechselte Sätze, ein glitzernder, wenn auch sehr restriktiver sozialer Hintergrund und eine Beschäftigung mit der Bedeutung von sozialer Konsequenz und Verhalten“, die die Werke so populär macht. Auch der Regisseur Olly Blackburg vertritt die Meinung, dass der wahre Charme der Regency-Bücher, Filme und Serien nicht in der Epoche selbst liegt.

 „Es ist ziemlich selten, dass ein historisches Stück nur daran interessiert ist, wie sich die Vergangenheit tatsächlich angefühlt hat“, erklärt er. „Bridgertons Schwerpunkt auf Multikulturalismus und Gleichberechtigung der Geschlechter spiegelt eher wider, was für uns heute wichtig ist. Sie nutzt das Regency-Zeitalter, in dem es viele schwarze und weibliche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gab, aber keineswegs auf den höchsten Machtebenen, um unsere eigenen sozialen und kulturellen Bedürfnisse zu erfüllen.“

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