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Ihr weißes Bein ist aufgestellt

von Dörthe Buchhester und Mario Müller

Gibt es schwarze Diamanten? Der Mann, den sie fragen könnte, spricht nicht mit ihr. Er bereitet den Vortrag vor, den er heute Abend halten wird in der Stadt, in der sie bald ankommen werden. Auf seiner Stirn steht der Schweiß. Die Kühlung ist ausgefallen. Das war zu erwarten. Thank you for travelling with Deutsche Bahn. Er wollte trotzdem schon im Anzug reisen. Nur nicht zuviel Gepäck dabei haben. Sie sitzt ihm trotzdem im Sommerkleid gegenüber. Der weiße Stoff hebt sich in der Sonne fast grell von ihrer hellen Haut ab. Als sie abfuhren, fühlte sie sich wie seine Geliebte. Nicht wie seine Frau. Das Gefühl verbrauchte sich ebenso schnell wie der Sauerstoff im Abteil. Die Hitze ist drückend. Der Schmerz in den Schläfen pocht. Hör auf, mich so anzusehen. Siehst du nicht, was du anrichtest.

Er kam mit dem Kaffeeduft, der den Bistrokellner umgab. Er hatte kaum Gepäck dabei, nur eine schwarze Umhängetasche, die ihren Oberschenkel streifte, als er seinen Kaffee entgegennahm. Er sprach kein Wort, er legte dem Kellner das Geld in die Hand. Das tat sie nie. Sie ließ die Münzen immer ein wenig von oben herabfallen, um der ungewollten Berührung zu entgehen.

Er setzte sich schräg gegenüber, seine langen Beine versperrten den Gang. Zuerst nahm sie den Schriftzug auf seinem Shirt wahr. Black Diamond. Stand das für ein Label oder für eine Band? Jetzt sieht er zu ihr herüber.

So was dummes aber auch, alle Abteile besetzt, und ich muss ausgerechnet hier in diese skurrile Paarsituation reinplatzen. Ich könnte wieder gehen. Allerdings sieht sie sehr aufregend aus in ihrem weißen Kleid. Sie hat es sicher nicht für ihren Mann angezogen, obwohl er nur mit ihr an der Seite interessant wirkt. Sie ist eine raumgreifende Erscheinung, er ist das ganze Gegenteil. Vielleicht gibt es noch irgendein Mehr, das ihn irgendwann attraktiv für diese Frau machte und sich jetzt beeindruckend gut versteckt. Auch vor ihr.

Sie braucht lange, um seinen Blick zu erwidern. Er hatte die Situation sofort erfasst. Die Frau im weißen Kleid. Der Anzugträger ihr gegenüber. Und er. In den tief sitzenden Jeans, dem bedruckten Shirt und den Sneakers. Sie wird nervös und um das zu überspielen, schlägt sie die Beine übereinander.

Sehr schöne Beine, schön aufgestellt, und ich sollte besser nicht darüber nachdenken, wo sie hinführen. Es ist heiß im Abteil; ist die Klimaanlage wieder mal ausgefallen? Sie hat schöne Hände, einen kleinen Busen und ihre Lippen ... Ich wäre gern die Gefahr, die ihren Traum in Atem hält. 

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