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Indien mal anders: Die Himmelsobservatorien von Jaipur

Wer die indischen Städte Delhi oder Jaipur besucht, sollte sich die Observatorien des Jai Singh nicht entgehen lassen. Denn diese weltweit einzigartigen, knapp 300 Jahre alten "Himmelsbauten" repräsentieren eine ungewöhnliche und gleichzeitig geniale Technik der Himmelsbeobachtung und sind beeindruckend in ihrer schieren Größe und Monumentalität.
DAL, 18.98.2017

Panorama der Jantar Mantar, der steinernen Instrumente im Observatoriums von Jaipur.
Wer das knapp 300 Jahre alte Himmelsobservatorium von Jaipur betritt, glaubt sich zunächst in einer modernen Bauausstellung oder einem überdimensionierten Skulpturenpark. Denn statt der Teleskopschüsseln oder geschlossenen Kuppeln moderner Observatorien wagen hier merkwürdig geformte Bauten aus Sandstein und Marmor in den Himmel auf. Einige ähneln riesigen Treppen, die ins Nichts zu führen scheinen, andere erinnern eher an Miniaturausgaben des Kolosseums in Rom.

Doch so verschieden diese Bauwerke anmuten, ihre Architektur dient einem Zweck: der Vermessung des Himmels. Allen Instrumenten ist gemeinsam, dass sie Sichtlinien zu den Gestirnen nutzten, um die Zeit oder die Position bestimmter Himmelskörper zu bestimmen. Ihre enorme Größe ist dabei quasi ein Nebenprodukt, denn nur sie gewährt die nötige Präzision der Messungen.

Maharadscha Jai Singh II. war von Jugend an an Wissenschaft und Astronomie interessiert.

Historisch

Wer kam auf die Idee?

Erdacht und erbauen lassen hat sie vor rund 300 Jahren Jai Singh II., der Maharadscha des Fürstentums Amber in Rajasthan. Singh war schon als Junge wissbegierig und interessierte sich stark für Astronomie. Kein Wunder: Im alten Indien spielte der Lauf der Gestirne eine wichtige Rolle zur Bestimmung der Kalenderzeiten, aber auch für Religion und Astrologie. Gelehrte, aber auch der junge Fürst studierten daher islamische Astronomieschriften und nutzten die in Arabien und Europa gängigen Astrolabien und Sonnenuhren.

Dabei jedoch fiel Jai Singh etwas auf: Viele der in den astronomischen Tabellen verzeichneten Zeiten und Positionen der Himmelskörper stimmten nicht hundertprozentig mit seinen eigenen Messungen überein. Die bronzenen Instrumente waren ungenau, weil die weiche Bronze dieser Messgeräte mit der Zeit nachgegeben hatte, so dass die Instrumente ausleierten. Wegen der geringen Größe der Sonnenuhren ist es zudem schwer, präzise Messungen durchzuführen.

Jai Singh beschloss, bessere Instrumente zu bauen. Er wollte astronomische Observatorien konstruieren, die haltbarer und präziser sind als alle bisher gängigen. Sein Prinzip dabei: Präzision durch Größe, Haltbarkeit durch Geräte aus Stein statt aus Bronze. In gleich fünf indischen Städten begann der Maharadscha um 1720 mit dem Bau seiner neuen Observatorien - der Jantar Mantar. Auf Sanskrit bedeutet dies soviel wie "magische Instrumente". Sie wurden in Delhi, in Jaipur, der neuen Hauptstadt von Jai Singh errichtet, sowie in den damals heiligen Städten Ujjain, Mathura und Varanasi.

Das Samrat Yantra von Jaipur – die größte Sonnenuhr der Welt.

Die große Sonnenuhr von Jaipur

Und der Plan des Jai Singh ging auf: Die steinernen Observatorien sind bis heute größtenteils erhalten – und weltweit einzigartig. Das größte und vollständigste von ihnen, das Jantar Mantar in Jaipur, gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. In ihm stehen 14 verschiedene Instrumente, mit denen einst die indischen Astronomen den Lauf von Sonne, Mond und den Gestirnen verfolgten.

Die Skala der großen Sonnenuhr von Jaipur, die Skalenstriche zeigen die Zeit bis auf zwei Sekunden genau.
Eines der "magischen" Instrumente von Jaipur ist Samrat Yantra - die größte Sonnenuhr der Welt. Ihre schiere Größe beeindruckt bis heute: 27 Meter weit ragt der keilförmige Schattenwerfer dieser Sonnenuhr über den Besuchern auf. Beiderseits dieser "Himmelstreppe" formen zwei nach oben gebogene, mit Marmor ausgekleidete Bögen die Skala dieser Riesen-Sonnenuhr. Auf den Marmorskalen kennzeichnen feine, in zwei Millimeter Abstand platzierte Rillen die Zeiteinheiten.

Durch die enorme Größe der Sonnenuhr lässt sich mit ihr die Zeit bis auf zwei Sekunden genau ablesen. Dazu benötigt man allerdings noch ein weiteres kleines Hilfsmittel: ein kleines Stück Draht oder Schnur. Der Grund: Wer den Schattenwurf der Sonnenuhr genauer anschaut, sieht, dass der Schattenrand wie ausgefasert wirkt – er bildet einen weichen, je nach Tageszeit bis zu drei Zentimeter breiten Übergang. Das macht es fast unmöglich festzustellen, auf welchem Skalenstrich der Schatten endet. Hier kommt nun das Hilfsmittel ins Spiel: Hält man den Draht dicht über die Skala wirft die Schnur eine scharfe, dünne Schattenlinie. An der Stelle, an der der Schnurschatten mit dem verwischten Sonnenuhr-Schatten verschmilzt, wird abgelesen.