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Was vom King of Pop übrig blieb
Ein dem Tod geweihter, tablettensüchtiger Mann mittleren Alters wächst über sich hinaus. Er wringt aus Körper und Geist alles an Energie und Kraft, was ihm die Jahre der größten Erfolge und tiefsten Stürze gelassen haben. Und er schafft, was ihm keiner mehr zugetraut hätte. Michael Jackson bei den Proben zu seinem geplanten Comeback zuzusehen, fasziniert - und bricht einem das Herz. Denn diese zur Dokumentation "This is it" verdichteten Probeaufnahmen sind das letzte Zeugnis, das er vor seinen Fans ablegen wird. Nur acht Tage nach der letzten Filmaufnahme sollte der King of Pop an einer Überdosis sterben.
Getrieben von unerbittlichem Perfektionismus
111 Minuten dauert der Film, den Jacksons Plattenlabel Sony aus über 100 Stunden Behind-the-Scene-Material zusammenschneiden ließ. Und genauso lang dauert die Zerrissenheit des Zuschauers, der zwischen Begeisterung für das Genie dieses Ausnahmekünstlers und wachsendem Mitleid schwankt. Denn eines schafft dieser Film, der in nur zwei Wochen 500 Mio. Dollar in die Taschen der Erben sowie des - um die Einnahmen der Comeback-Tour gekommenen - Konzertveranstalters spülen soll: Er zeigt, was von Michael Jackson am Ende seines Lebens übrig geblieben ist. "This is it" eben.
Zu sehen ist ein Sänger, Tänzer, Performer und Showmaster, noch immer getrieben von unerbittlichem Perfektionismus. Erst dieser höchste Anspruch an sich und die anderen, das dokumentieren die Bilder aus den letzten Wochen seines Lebens, hat aus dem begnadeten Kinderstar den King of Pop werden lassen.
Ganz genau so wie er seine Lieder geschrieben hat, will Michael Jackson sie wieder auf die Bühne bringen; den Fans geben, was sie gewohnt sind, was sie erwarten. Jeder Ton, jeder Übergang muss exakt so klingen, wie er einst gedacht war. Erst wenn seine Vorstellungen zu kompromisslosen 100 Prozent umgesetzt sind, ist er zufrieden. Für Spontaneität und Improvisation ist kaum Raum.
Jackson fasziniert vor allem dank perfekter Selbstkontrolle, Körperbeherrschung und eines vollkommenen Gefühls für Musik. Jeder Takt, jede Note hat sich in Hirn und Körper dieses Mannes gebrannt. Die Musik hören, ohne sie zu tanzen, ohne sie in Bewegung zu verwandeln - das kann Michael Jackson nicht. Das passt auch nicht in sein Konzept, in dem er, der King of Pop, mit Musik, Licht und seinen Tänzern verschmelzen will zu - einer perfekten Show.