Lexikon

Pädaggik

[
griechisch
]
die praktische und theoretische Lehre von der Erziehung, auch die Erziehung selbst. Als Erziehungswissenschaft ist die Pädagogik eine handlungsorientierte Sozialwissenschaft, in der Theorie und Praxis eng miteinander verknüpft sind.
Erziehung als notwendiger Prozess der Integration Heranwachsender in die gesellschaftlichen Strukturen gehört zur menschlichen Existenz. Das für das Abendland bedeutsame Denken über Erziehung begann bei den Griechen: bei den Sophisten, bei Sokrates, Platon, Aristoteles, Isokrates. Ein System der verpflichtenden Bildungsinhalte bildete sich aus: die Enkykliospaideia, von den Römern artes liberales genannt. Das Mittelalter übernahm die artes liberales für die Klerikerbildung in den Kloster- und Domschulen und schuf seit dem 12. Jahrhundert die wissenschaftlichen Studienmöglichkeiten auf den Universitäten. Für die jungen Adligen war eine höfisch-ritterliche Erziehung verpflichtend.
Im 14. Jahrhundert erwachte das Interesse an der Antike, Latein wurde zur obligatorischen Gelehrtensprache. Die bisher der Klerikerbildung gewidmeten Schulen bekamen im Humanismus ästhetisch-weltliche Züge. Als die Reformation den Glauben auf die Bibel gründete, wurde das Lesen für alle gefordert; die „Küsterschule“ entstand. Im 17. Jahrhundert begannen die Fürsten, die Schulpflicht einzuführen. Im höheren Schulwesen kamen unter dem Einfluss der neuen (Natur-)Wissenschaften (F. Bacon, G. Galilei, I. Newton) realistische Tendenzen auf (W. Ratichius und J. A. Comenius). Aber erst der Pietismus (A. H. Francke) und die Aufklärung im 18. Jahrhundert änderten Erziehungsstil und -geist.
Realschulen und Landschulen (E. von Rochow) erzogen jetzt zu praktischer Tüchtigkeit. Die von J.-J. Rousseaus „Émile“ (1762) angefachte Naturbegeisterung hatte J. B. Basedow, J. H. Campe und E. C. Trapp (die „Philanthropinisten“) zu Versuchen einer natürlichen und vernünftigen Erziehung angeregt; aber erst in J. H. Pestalozzi und dann in J. G. Herder, Goethe und W. von Humboldt („Neuhumanisten“) fand das neue, auf die Persönlichkeit gerichtete Erziehungsideal seine für das 19. Jahrhundert gültige Gestalt. Die Anstöße Pestalozzis wirkten sich bei J. F. Herbart, A. Diesterweg, F. Fröbel u. a. für die Kleinkind- und Volksschulerziehung aus, während J. G. Fichte, W. von Humboldt und G. W. F. Hegel im Geist der Griechenverehrung die höhere Bildung, Gymnasium und Universität, mit neuem Inhalt und Auftrag versahen. Von den beiden größten Systematikern, Herbart und F. Schleiermacher, hat nur Herbart eine Schule gebildet. K. V. Stoy, T. Ziller und W. Rein schufen den Herbartianismus, der vor allem auf dem Gebiet der Unterrichtsmethode Erfolge hatte.
Die Reformpädagogik setzte mit der leidenschaftlichen Absage an den Herbartianismus ein und gewann in der staatsbürgerlichen Erziehung, in den Landerziehungsheimen (H. Lietz), im Jena-Plan (P. Petersen), in der Arbeitsschulmethode (G. Kerschensteiner, H. Gaudig), in der Erwachsenenbildung (R. von Erdberg-Kczenciewski), in der Kunsterziehung (H. Lichtwark) und besonders in den Montessori- und Waldorfschulen neue Methoden für Erziehung und Bildung. H. Nohl, T. Litt, E. Spranger, W. Flitner und A. Fischer schufen für die neuen pädagogischen Formen das theoretische Fundament. 1933 bereitete das „Dritte Reich“ diesen Bestrebungen ein Ende. Nach dem 2. Weltkrieg knüpfte die Pädagogik an bildungstheoretische Konzeptionen der Reformpädagogik an; sie befasste sich nun hauptsächlich mit der Bestimmung von Bildungszielen und -inhalten im Rahmen einer demokratischen Gesellschaftsordnung. In den 1960er Jahren fand das Konzept einer repressionsfreien, „antiautoritären“ Erziehung zeitweise viele Anhänger. In der pädagogischen Diskussion über Ziele, Themen, Methoden und Medien der Erziehung wurden in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren sozialwissenschaftliche Aspekte stärker berücksichtigt, wobei die heutige Pädagogik nicht mehr nach übergreifenden Konzepten sucht, sondern das Fach in seiner Abhängigkeit von speziellen Problemfeldern begreift und innerhalb von Teildisziplinen (Vorschulpädagogik, Behindertenpädagogik, Medienpädagogik, Sportpädagogik usw.) nach Lösungen strebt.
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