ehemaliges Land in Mitteleuropa, umfasste zuletzt (1992) 127 876 km2 mit 15,7 Mio. Einwohnern. Hauptstadt war Prag.
Die Tschechoslowakei entstand aus dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie im 1. Weltkrieg. Am 28. 10. 1918 wurde die
Tschechoslowakische Republik (ČSR)
proklamiert. Staatspräsident war bis 1935 T. G.
Masaryk. Von den 14 Mio. Einwohnern des neuen Staates waren etwa 10 Mio. Tschechen und Slowaken (letztere mit Autonomiewünschen gegenüber Prag) und mehr als 3 Mio. Deutsche.
Masaryk war in seiner Außenpolitik nach Westen orientiert. Innenpolitisch suchte er den Ausgleich mit dem deutschen Bevölkerungsteil (Aufnahme deutscher Politiker ins Kabinett). Diskriminierungen der deutschen Minderheit wurden allerdings nicht immer vermieden. Die Auswirkungen der
Weltwirtschaftskrise verstärkten den Einfluss der Kommunistischen Partei unter K.
Gottwald auf die Arbeiterschaft. Auf der Rechten formierten sich vor allem bei den nationalen Minderheiten Gruppen, die teilweise faschistischen Charakter hatten; unter ihnen die Sudetendeutsche Partei, die unter K.
Henlein Unterstützung durch das Hitlerregime erhielt. Mit den Stimmen von Nationalen Sozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten wurde 1935 E.
Beneš gegen den Druck der Rechten zum Staatspräsidenten gewählt. Nach dem
Münchner Abkommen (1938) musste die Tschechoslowakei die überwiegend von Deutschen bewohnten Gebiete im Norden und Westen (Sudetenland) an Deutschland abtreten,
Untergang der Tschechoslowakei
Untergang der Tschechoslowakei
Der 〉Führer〈 des Dritten Reiches, Adolf Hitler, empfing den Präsidenten der Tschechoslowakei, Emil Hácha, am 15. März 1939 und informierte ihn zynisch über das bevorstehende Ende seines Landes (Auszug aus dem Protokoll):
〉So sind bei mir am letzten Sonntag die Würfel gefallen...〈 Wir stünden nun vor dieser Sachlage, und er habe den Befehl gegeben zum Einmarsch der deutschen Truppen und der Eingliederung der Tschechoslowakei ins Deutsche Reich ... Es gebe zwei Möglichkeiten. Die Erste sei die, dass sich das Einrücken der deutschen Truppen zu einem Kampf entwickelt. Dann wird der Widerstand mit allen Mitteln mit Brachialgewalt gebrochen. Die andere ist die, dass sich der Einmarsch der deutschen Truppen in erträglicher Form abspiele, dann würde es dem Führer leicht, bei der Neugestaltung des tschechischen Lebens der Tschechoslowakei ein großzügiges Eigenleben, eine Autonomie und eine gewisse nationale Freiheit zu geben ...
Um 6 Uhr würden die Truppen einmarschieren ...
Hácha sagt, dass für ihn die Situation völlig klar und dass hier jeder Widerstand sinnlos sei ...
Der Führer sagt, dass sein Entschluss unwiderruflich sei. Man wisse ja, was ein Entschluss des Führers bedeute...
(In der Verhandlungspause nach einem Schwächeanfall telefonierte Hácha nach Prag und erteilte den Befehl, dem deutschen Einmarsch keinen Widerstand entgegenzusetzen.)
ein Teil der Slowakei fiel an Ungarn, das Gebiet um Teschen an Polen. Im Oktober 1938 trat Bene
š zurück.
1939 rief der Führer der Slowakischen Volkspartei, J.
Tiso, unterstützt von der deutschen Reichsregierung, einen unabhängigen slowakischen Staat aus. Ungarn annektierte die karpato-ukrainischen Gebiete. Das Rumpfgebiet von Böhmen und Mähren wurde von deutschen Truppen besetzt und zum deutschen
Protektorat
erklärt. Damit war das Münchner Abkommen gebrochen, ohne dass die westlichen Signatarmächte wirksam intervenierten. Zahlreiche Intellektuelle und Politiker gingen ins Exil oder in den Untergrund. Bene
š’ Exilregierung in London wurde von den Regierungen Englands und Frankreichs anerkannt. 1943 schloss sie ein Abkommen mit der Sowjetunion. Unter dem Terror der Okkupationsmacht formierte sich der Widerstand, dem harter Gegenterror antwortete (Vernichtung des Dorfes
Lidice nach der Ermordung des stellvertretenden Reichsprotektors R.
Heydrich, 1942). Seit 1944 rückten sowjetische Truppen in die Tschechoslowakei vor.
Im April 1945 konstituierte sich in Kaschau (Ko
šice) eine Regierung aus Sozialdemokraten, Kommunisten, Nationalen Sozialisten u.
a. Parteien. Eine Bodenreform enteignete den Grundbesitz, Großindustrie und Banken wurden verstaatlicht. Mit Billigung der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion wurden die Deutschen, soweit sie nicht aktive Antifaschisten gewesen waren, vertrieben (rund 2,75 Mio. Vertriebene und Flüchtlinge). Bei der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung 1946 erreichte die Kommunistische Partei 38% der Stimmen. 1948 wurden die bürgerlichen Regierungsmitglieder ausgeschaltet. Bene
š trat zurück. Seine Nachfolger K.
Gottwald (1948
–1953), A.
Zápotocký (1953
–1957) u. A.
Novotný (1957
–1968) konnten mit Unterstützung der Sowjetunion das kommunistische Regime endgültig festigen. Dabei bedienten sie sich stalinistischer Terrormethoden.
In den 1960er Jahren bildete sich in der Führung der Kommunistischen Partei ein Reformflügel, der 1968 den Rücktritt Novotnýs erzwang. Unter dem neuen Parteichef A.
Dubček kam es zu einer Liberalisierung des Regimes und zu Ansätzen einer Wirtschaftsreform (
Prager Frühling). Um diese Entwicklung, von der eine Gefährdung des Herrschaftssystems in anderen kommunistischen Staaten befürchtet wurde, zu unterbinden, marschierten Truppen des Warschauer Pakts am 21. 8. 1968 in die Tschechoslowakei ein. Die Vertreter des Reformkurses wurden entmachtet, die Demokratisierung wurde rückgängig gemacht. Eine umfassende
Säuberung traf besonders die Intellektuellen; viele von ihnen gingen ins Exil. Der 1968 zum Staatspräsidenten gewählte General L.
Svoboda, der zunächst den Reformkurs unterstützt hatte, schwenkte auf die sowjetische Linie ein. An die Stelle Dub
čeks trat als Parteichef 1969 G.
Husák; er wurde 1975 zugleich Staatspräsident. Gegen die repressive Politik der Parteiführung formierte sich in den 1970er Jahren eine Bürgerrechtsbewegung, die starken Verfolgungen ausgesetzt war; ihr grundlegendes Manifest war die
Charta 77. Als Generalsekretär der Partei wurde Husák 1987 von M.
Jakeš abgelöst.
Prager Frühling: Niederschlagung
Prager Frühling: Niederschlagung
Brennende Barrikaden und russische Panzer besiegeln das Ende des Prager Frühling.
© Corbis/Bettmann/UPI
1989 ergriff die Erneuerungsbewegung im Ostblock auch die Tschechoslowakei. Nach Großdemonstrationen auf dem Prager Wenzelsplatz, die auch durch brutalen Polizeieinsatz nicht mehr zu verhindern waren, traten am 24. 11. 1989 das Präsidium und das Sekretariat der KP zurück. Kurz zuvor hatten sich 12 Oppositionsgruppen zum „Bürgerforum“ zusammengeschlossen. Nun vollzog sich der Zusammenbruch des Regimes in raschem Tempo: Die Führungsrolle der KP wurde aus der Verfassung gestrichen, ein mehrheitlich nicht kommunistisches Kabinett unter dem Reformkommunisten M.
Čalfa übernahm die Regierungsgeschäfte, Präsident Husák trat zurück. Am 28. 12. wurde A. Dub
ček, der Repräsentant des Prager Frühlings von 1968, zum Präsidenten der Bundesversammlung gewählt, und einen Tag später vereidigte er den soeben gewählten Bürgerrechtler V.
Havel als ersten nichtkommunistischen Staatspräsidenten seit 1948.
In den nächsten Monaten wurden erste Schritte zur Herstellung freiheitlich-demokratischer Zustände und zur Einführung der Marktwirtschaft unternommen. Das Wort „sozialistisch“ wurde aus dem Staatsnamen gestrichen. Nach langen Auseinandersetzungen, in denen nationale Gegensätze zwischen Tschechen und Slowaken sichtbar wurden, entschied sich die Bundesversammlung für den Staatsnamen
Tschechische und Slowakische Föderative Republik (ČSFR)
. In den ersten freien Parlamentswahlen am 8. u. 9. 6. 1990 errangen das tschechische „Bürgerforum“ und die slowakische Schwesterpartei „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung. Havel wurde für 2 Jahre im Amt bestätigt,
Čalfa (der zu „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ übergetreten war) wiederum mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Privatisierung der Wirtschaft wurde in Angriff genommen.
Im April 1991 spaltete sich das „Bürgerforum“ in die konservative „Demokratische Bürgerpartei“ (Vorsitzender: Finanzminister V. Klaus), die sozialliberale „Bürgerbewegung“ (führender Politiker: Außenminister J. Dienstbier) und die „Demokratische Bürgerallianz“. Die slowakische „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ zerfiel in zwei Gruppen.
Im Laufe des Jahres 1991 verschärften sich die nationalen Gegensätze; in der Slowakei mehrten sich die Stimmen für volle Unabhängigkeit. Am 27. 2. 1992 wurde ein Nachbarschaftsvertrag mit Deutschland unterzeichnet. Inzwischen entwickelten sich die slowakischen Souveränitätsbemühungen zur Staatskrise. Im Juni 1992 fanden Parlamentswahlen statt, die jedoch keine klaren Mehrheitsverhältnisse brachten. Es konnte lediglich eine Übergangsregierung gebildet werden. Im Juli erklärte die Slowakei ihre Souveränität. Daraufhin trat Havel als Staatspräsident zurück. Der slowakische Ministerpräsident V.
Mečiar und der tschechische Ministerpräsident V.
Klaus begannen Verhandlungen über die Trennung der beiden Teilrepubliken. Am 25. 11. 1992 beschloss das Parlament die Auflösung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten zum 31. 12. 1992.
Slowakei,
Tschechische Republik.