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Robin Hood, der Held von Sherwood Forest

Er ist eine unvergessene Figur aus Kindheitstagen: Robin Hood, der edle englische Räuber, der nahe Nottingham inmitten einer Schar von Getreuen lebt und auf seine Weise für Gerechtigkeit sorgt. Doch hat es den ehrenhaften Schützen, der mit Pfeil und Bogen unterwegs war und seine Beute stets mit den Armen teilte, wirklich gegeben? Immerhin war „Robin Hood“ im England des 13. Jahrhunderts ein Spitzname für Gauner aller Art.
Kai U. Jürgens

Es gibt wohl kaum ein Kind, das den Namen „Robin Hood“ noch nie gehört hat – die Legende um ihn und Little John, Friar Tuck und Will Scarlett ist auch im neuen Jahrtausend sehr präsent. Angeblich haben er und seine Mannen im Sherwood Forest und anderen Wäldern gelebt, wo sie mit Pfeil und Bogen reiche weltliche und geistliche Herren ausraubten, um ihre übermäßigen Güter an die Armen zu verteilen. Gegenspieler ist der Sheriff von Nottingham, jener Stadt, die bis heute untrennbar mit dem Namen Robin Hood verbunden ist. Als besondere Spezialität von Robin Hood galt das Bogenschießen, in dem er es zu besonderer Perfektion gebracht haben soll.

Wer sich auf die literarischen Spuren von Robin Hood begibt, sieht sich schnell mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert. Zum einen gibt es keine feststehende Erzählung, sondern ein ganzes Bündel von Balladen, das über die Jahrhunderte immer wieder aufgegriffen und verändert worden ist. Grundsätzlich gilt Robin Hood als eine Figur aus dem 13. Jahrhundert, wobei man nicht vergessen darf, dass in dieser Zeit vor allem mündlich erzählt wurde. Die erste vollständig erhaltene Ballade erschien erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts und trägt den Titel The Gest of Robyn HodDie Geschichte von Robin Hood. Doch hier hat der Bogenschütze noch nicht die Gestalt, die wir heute mit ihm verbinden. Speziell die Rolle des sozialen Revolutionärs kam erst später hinzu; die gilt auch für einige Figuren wie Richard Löwenherz und Maid Marian. Große Wirkung zeigt bis heute das Kinderbuch von Howard Pyle, das 1883 veröffentlicht wurde. Es festigte Robin Hoods Erscheinung als Menschenfreund, der mit Pfeil und Bogen für Gerechtigkeit sorgt.

Als historische Figur ist der Räuber bis heute unfasslich. Zwar wurden im 13. Jahrhundert Gesetzesbrecher immer wieder mit dem Beinamen „Robin Hood“ belegt, was bedeutet, dass die Gestalt schon damals recht geläufig gewesen sein muss. Konkrete Hinweise aber fehlen. Immerhin gibt es eine ganze Reihe von Kandidaten. So wurde bereits 1225 ein „Robert Hod“ in einer Akte aufgeführt, der zu diesem Zeitpunkt „flüchtig“ gewesen sein soll und dies noch einige Jahre blieb. Doch mehr ist über die Person nicht überliefert. Interessanter ist Robert de Kyme, der 1226 für kurze Zeit geächtet wurde und sich währenddessen im Sherwood Forest aufgehalten hat. Doch ob diese Figuren etwas mit Pfeil und Bogen zu tun hatten, muss offen bleiben. Hier wird deutlich, dass „Robin Hood“ ein Sammelbegriff ist, der sich aus vielen Bestandteilen höchst unterschiedlicher Personen zusammensetzt. Einen „wirklichen“ Robin Hood hat es wohl nie gegeben.

Zum Glück schmälert dies nicht weder die Gültigkeit der Figur. Robin Hood versinnbildlicht in spannender Abenteuerform den Umgang mit sozialen Konflikten, die sich bis heute erhalten haben – die Frage, wie die Güter einer Gesellschaft gerecht zu verteilen sind, bleibt hochaktuell. Dies erklärt auch den Erfolg der Pfeil-und-Bogen-Filme an der Kinokasse, wo sich kulturelles Interesse besonders schnell ablesen lässt. Zudem gilt der Name des Räubers als Synonym für Gerechtigkeit, wie sich an dem Begriff „Robin-Hood-Steuer“ ablesen lässt, einer Kampagne für die Besteuerung von Finanztransaktionen. Auch hat sich eine Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ genannt, was ebenfalls auf die Figur aus dem Sherwood Forest anspielt. Kein Zweifel, er wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben – der mutige Bogenschütze, der den Reichen nimmt und den Armen gibt.

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